Am 26. Oktober 1970 ging dann für Weilerswist die „Karnevalssonne” auf. Acht Weilerswister Bürger und Karnevalsfreunde mit „Spaß an der Freud” trafen sich in der Bahnhofsgaststätte Weilerswist und beschlossen auf Initiative von Kurt Pfeufer und mit klaren Zielvorstellungen, eine Karnevalsgesellschaft in Weilerswist zu gründen. Spontan spendeten die Anwesenden an diesem Abend insgesamt 300,- DM als Grundstock für die noch einzurichtende Vereinskasse, um die ersten Kosten zu decken.
Die Gründer waren: Bernd Brück, Hans Cornelissen, Hans Flohe, Joma Hoffmanns, Josef Lichtmeß, Karl Neunemann, Kurt Pfeufer und Hermann Wirtz.
Nach einem entsprechenden öffentlichen Aufruf an die Weilerswister Bevölkerung trafen sich am 3.12.1970 an selber Stelle rund 20 Interessierte zur Gründungsversammlung. Die Leitung der Versammlung übernahm Joma Hoffmanns, rhetorisch sehr begabt und im so genannten Zivilleben Stabsoffizier der Bundeswehr. Mit dem dialektisch eingefärbten Satz eines Anwesenden: „Dä Joma hät de richtige Schnüss öm ze schwade“ unterrichtete Joma Hoffmanns die Versammlung über die Gründung und Ziele der neuen Gesellschaft. Nach einer lebhaften Aussprache entschlossen sich 18 der Anwesenden zum Eintritt in die neue Karnevalsgesellschaft. Sie erhielt den Namen Karnevalsgesellschaft „Blau-Gold” Weilerswist von 1970 mit dem Ziel, die Gesellschaft in der Rechtsform eines eingetragenen Vereins (e. V.) zu führen, ins Vereinsregister beim Amtsgericht eintragen zu lassen sowie Mitglied im Festkomitee des Kölner Karnevals von 1823 e. V. und im Bund Deutscher Karneval zu werden. Die Mitglieder wählten am gleichen Abend folgenden satzungsgemäßen Vorstand:
Präsident | Jakob Breuer |
2. Vorsitzender | Paul Petry |
Senatspräsident | Karl Schlösser |
Schatzmeister | Hans Cornelissen |
Schriftführer | Joma Hoffmanns |
Literat | Kurt Pfeufer |
Leider trat nach einigen Wochen Jakob Breuer als Präsident zurück. Er hatte sich in der Versammlung auf allgemeinen Wunsch der Mitglieder zwar bereit erklärt, das Amt zu übernehmen, verfügte aber – trotz guten Willens – als Beigeordneter und als ehrenamtlicher Geschäftsführer des Volksbildungswerks Weilerswist sowie wegen anderer Funktionen im kulturellen Bereich nicht über die erforderliche Freizeit, um den Aufgaben und gesteckten Zielen der Gesellschaft auf Dauer gerecht werden zu können. Die Leitung der KG übernahm Senatspräsident Karl Schlösser bis zur erforderlichen Neuwahl. Und dann machte die neue KG gleich „Näl met Köpp” – wie es so schön im Volksmund heißt. Es wurde beschlossen, bereits am 19. Februar 1971 in der Aula der Hauptschule Weilerswist die Gründungs- und erste Prunksitzung durchzuführen. Aber schon ein bekanntes Sprichwort sagt: Erstens kommt es anders, und zweitens als man denkt. Denn zur Überraschung aller wurde der schriftliche Antrag der KG Weilerswist zur Benutzung der Aula aus unverständlichen und nicht einsehbaren Gründen von der damaligen Gemeindevertretung Weilerswist mit Stimmenmehrheit abgelehnt (10 Ratsmitglieder stimmten für den Antrag, 11 waren dagegen).
Es ist Chronistenpflicht, nicht nur von den guten Seiten zu berichten, sondern auch von den anderen, wie auch später in dieser Chronik zu lesen sein wird. Damals wurde sogar die Meinung vertreten, die Aula sei eine „heilige Stätte” und deshalb für Karnevalszwecke nicht geeignet. Heute würde ein solches Meinungsbild nicht mehr geprägt. Der unvergessene, leider zu früh verstorbene Kurt Pfeufer, dichtete voller Zorn folgenden satirischen Vers:
„Heilige Hallen überall,
Kölns Gürzenich, Bonns Beethovenhall.
Doch von allen die heiligste ist,
die Aula der Hauptschule Weilerswist.
Nun war guter Rat teuer, denn Literat Kurt Pfeufer hatte in seinem närrischen Eifer inzwischen schon für rd. 6.000,- DM Honorare Büttenredner, Musikkorps, Tanzgruppen u. a. für Auftritte engagiert und verbindlich für die KG verpflichtet. Die Weilerswister Narren ließen sich durch den negativen Bescheid der Gemeinde Weilerswist nicht entmutigen und suchten andere Wege. Sie verlegten ihre erste Sitzung in die Nachbargemeinde Walberberg, in den Saal der Gaststätte Wieler. Dort konnte dann unsere neue Gesellschaft mit großer Freude den ersten Auftakt erleben.
Am Freitag, 19. Februar 1971, wurden ca. 700 Weilerswister Karnevalsfreunde mit Reisebussen nach Walberberg gefahren und erlebten dort die 1. große Prunksitzung der KG Weilerswist. Die Besucher waren nicht enttäuscht, und die KG „Blau-Gold” freute sich über den guten Start ihrer ersten Session. Es präsidierte Ehrenpräsident und Schirmherr, Prof. Dr. Ing. Paul Petry, der zu dieser Zeit bereits Rittmeister der Ehrengarde der Stadt Köln war und mit seinen guten und langjährigen Verbindungen zum Kölner Karneval eine wertvolle Stütze der Gesellschaft wurde.
Schon die erste Sitzung zeigte den künftigen Weg der KG und ermutigte sogleich zu weiteren Aktivitäten. Während der siebenstündigen Sitzung – ohne Pause – waren die Weilerswister Närrinnen und Narren außer Rand und Band. Ein Karnevalsknüller folgte dem anderen. Die Teilnahme des Kölner Dreigestirns an der Sitzung, Seine Tollität Prinz Rolf l., Ihre Lieblichkeit Jungfrau Josefine und Seine Deftigkeit Bauer Erich, war der Höhepunkt des Abends.
Dass dieser Auftritt außerhalb des Stadtbereichs Köln und in dieser Sitzung möglich war, verdankte die KG Paul Petry. Schon beim Einmarsch des Dreigestirns stieg das Publikum auf die Stühle und brachte den Tollitäten mit anhaltendem Beifall und jubelnden Zurufen seine Ovationen dar. Aber auch die Leistungen der Büttenredner, Sänger und Korps wurden gewürdigt und begeisterten die große Narrenschar. Einige Auftritte von Alt-Karnevalisten aus Köln sollten hier genannt werden: Schmitze-Grön, Harry Fey, Schütze Bumm, Lotti Krekel mit ihren „Kölsche Leedche`; das Reiterkorps „Jan von Werth” mit Jan un Griet, die „Doof Noß“, Rolf D. Schuster, das RheinlandTerzett, MGV Rheinmelodiker, alle damals schon bekannt durch Funk und Fernsehen. Nicht vergessen seien auch die einheimischen Kräfte: das Tambourkorps „Edelweiß” Weilerswist und das Tanzkorps „Erftflotte” Vernich.
Als zum Schluss der Prunksitzung – weit nach Mitternacht – hunderte bunte Luftballons von der Decke herunterpurzelten und Blumensträuße in das Publikum geworfen wurden, zogen die Jecken im Saal in einer Begeisterungspolonaise zur Bühne und brachten damit ihre Freude über den gelungenen Abend zum Ausdruck. Die anwesenden Repräsentanten der Gemeinde Weilerswist, Bürgermeister Friedrich Schmitt und Gemeindedirektor Josef Esser, erklärten spontan, dass sie alles unternehmen würden, damit künftige Sitzungen und Veranstaltungen der KG „Blau-Gold” bald in Weilerswist stattfinden könnten.
Der Wunschtraum von einem Saal oder einer Mehrzweckhalle erfüllte sich jedoch erst im Jahre 1976. Heute erinnert noch der Sessionsorden 1975 an die Raumschwierigkeiten der ersten Jahre; sein Motto lautete:
„Wielde noch immer ohne Hall´und Bad,
dröm söhke mer dafür en Partnerstadt“.
Schon nach dem ersten Gründungsjahr veranstaltete die KG ihre 1. Herrensitzung am 8. Januar 1972 im Saal Krahforst, Hotel „Deutsches Haus” in Weilerswist. Die Zahl der Besucher einer Herrensitzung war damals noch nicht einzuschätzen. Die KG wurde überrascht. Etwa 500 Männer, darunter zahlreiche Persönlichkeiten und Präsidenten befreundeter Gesellschaften, folgten der Einladung, um zu erleben, was die junge Karnevalsgesellschaft „Blau-Gold” Weilerswist zu bieten hatte. Spitzenkräfte des Kölner Karnevals brachten diesmal die männliche Narrenschar in Hochstimmung. Neben Büttenrednern traten bekannte Sänger, Musik- und Tanzkorps auf, und unter der Regie und karnevalistischen Ansage von Kurt Pfeufer, der in der gleichen Session auch den Kölner Rosenmontagszug im Fernsehen kommentierte, schlugen die Wellen der Freude und des rheinischen Frohsinns so hoch, dass die Lokalzeitungen übereinstimmend schrieben: „Es war eine Herrensitzung, wie sie der Kreis Euskirchen bisher noch nicht erlebt hat. Einmalig die Darbietungen, Höhepunkte des Karnevals.”
In der Folgezeit wurde die Herrensitzung fester Bestandteil des Sessionsprogramms der KG und weit über die hiesige Gemeinde hinaus bekannt. Nach diesem großen Erfolg fand dann am 11. Februar 1972 die zweite große Prunksitzung mit Damen statt. Auch dieses Mal wurde wieder ein kostenloser Bustransfer Weilerswist – Walberberg und zurück eingerichtet und im vollbesetzten Saal Wieler wurde wieder einmal ein Spitzenprogramm von Superstars des rheinischen Karnevals unter der hervorragenden Leitung von Paul Petry geboten. Schon für diese Sitzung konnten nicht alle Kartenwünsche erfüllt werden.
Wer aber glaubte, dass sich die junge Gesellschaft nach den ersten Erfolgen nunmehr etwas Ruhe gönnen würde, der hatte sich geirrt. Kaum waren die letzten Rufe in der Prunksitzung mit „Wielde Alaaf“ verklungen, folgten am nächsten Tag mit unermüdlichem Fleiß die letzten organisatorischen Vorbereitungen für den 1. Karnevalszug der KG am Veilchendienstag, 15. Februar 1972. Es standen nur noch wenige Tage zur Verfügung. Im folgenden Abschnitt wird darüber berichtet, wie es gelang, die Idee zur Durchführung eines Karnevalszuges im Ort Weilerswist zu verwirklichen.